dem unglück seinem atem lassen

Ich mag die Risse in den schicken Fassaden. Und ich verteidige das Versehrte, das Halbe, das Unfertige gegenüber dem gewaltigen großen Ganzen. Die Risse, die Lücken, die der Teufel lässt.

Ich liege in deinem Bett und halte meine Augen geschlossen. Ich tue so, als würde ich schlafen. Es ist helligter Tag. Ich höre dich hereinkommen und spüre, wie du dich über mich beugst und nach mir siehst, aber es nicht wagst, mich anzusprechen oder zu berühren. Du stützt dich auf das Bett und ich lege sanft meine Hand auf deine. Vielleicht will ich nicht aufstehen, weiß aber, dass ich es muss.

Die Oberfläche ist sehr kühl. Direkt unter ihr ist eine Bewegung wahrzunehmen. Man kann es zwischen den Zeilen vibrieren hören.

Draußen, auf der Wiese, sehe ich ein Paar an einem Brunnen sitzen.

Es ist ein Brunnen, an dem ich als Kind oft saß. Ein Ort der Begegnung. Früher liebte ich es, auf Brunnenrändern zu balancieren. Ein Mal bin ich am Alexanderplatz in einen hineingefallen und habe viel Wasser geschluckt. Meine Eltern haben mich ausgelacht. Wir haben es dir gesagt, aber du wolltest nicht hören.

Ich setze mich eine Weile dazu. Ich warte und sehe mir dabei auf die Füße. Lebendiges, Flüchtiges, Empfindlickeit und Zartheit setzen sich in Bewegung. Über die Wiese rennt ein Rehkitz und ich stehe auf. Habt ihr das gesehen?

Sind es wirklich Dinge, die kaputt gehen? Vielleicht könnten wir dem Objekt die Würde des Subjekts zugestehen, miteinander handeln und kommunizieren. Keine Erniedrigung, sondern Würdigung.

Ich stehe auf. Eine Gruppe von Menschen. Einer davon ist dein Vater. Er schüttelt mir eilig die Hand. Du stehst im Hintergrund, ein flüchtiger Blick streift mich.

Eine indirekte Verknüpfung, eine zweite Schicht, etwas, das dem Unglück Atem lässt. Jeder nach seinen Fähigkeiten. Jedem nach seinen Bedürfnissen.

Unerreichbar. Subjektiv nachvollziehbar, aus der Distanz absurd.

Mein Bruder tritt an mich heran und auch wir gehen, in die andere Richtung. Ich weiß, dass du dort an der Tür standest. Ein Ort, an den ich nicht zurückkehren kann.

Was bedeutet es, heim zu kehren? Ein Gefühl. Wärme. Ehrlichkeit. Berührung. Etwas menschliches, nachvollziehbares, greifbares. Schwächen haben. Gehört und verstanden werden. Sich frei entfalten können. Ich. Hier. Jetzt. Und Teil von etwas. Teil von etwas positiven, das Sinn ergibt.

Was bedeutet sie, die Sehnsucht nach der ewigen Zukunft? Ein Gefühl. Eines der Verlorenheit, Distanz, mit einer Sehnsucht nach Geborgenheit. Es fühlt sich kalt und abweisend an.

Wenn es etwas gibt, das du nicht ändern kannst, überschreite es. Manchmal macht es keinen Sinn. Ich bin dankbar für die Zeit, die wir zusammen hatten. Es gibt immer noch so viel gutes, so viel menschliches, freies. Wahrscheinlich bist du einfach zu cool für mich. Too cool to be true. Was ist, wenn das Zuhause, das wir so sehr vermissen, in uns ist?

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