die grausamkeit des lichts

Es ist eine tragische Liebesgeschichte. Sehr tragisch. Das Traurigste daran ist, dass er sie wirklich liebt. Nicht alles, was ausgesprochen wird, ist wahr. Und nicht alles Unausgesprochene ist nichts.


Alles glänzt so schön neu. Freiheit ist das neue Gefängnis. »We're all living in Amerika. Amerika ist wunderbar.« Einst glaubte sie, als sie noch u­­­nschuldig war, es gibt keine Katzen in Amerika. Eine Maus, die keine war, verfolgt, von einer Katze, die nie gewesen ist. Aber in Amerika kannst du alles werden. Amerika lässt alle Wunder auf einmal geschehen, dass dir Hören und Sehen vergehen.

»Ich kenne Schritte die sehr nützen, Und werde euch vor Fehltritt schützen, Und wer nicht tanzen will am Schluss, Weiß noch nicht, dass er tanzen muss, Wir bilden einen lieben Reigen, Ich werde euch die Richtung zeigen, Nach Afrika kommt Santa Claus, Und vor Paris steht Micky Maus«

Von hieran verändert sich nichts mehr. Amerika überblendet Differenz, blendet sie aus, übertüncht sie, hält sie klein. Man kann sich nichts mehr vorstellen, vor allem keine Veränderung, sich selbst fremd geworden, es muss immer so weitergehen. Goldene Krone, goldenes Band, stitch and stitch and stitch, Gift der Harmonie. »Marching band′s parading, Perfume floods the streets, Everyone's standing, The crowd inside of me, But all of this yeah, all of this, To you does not, But all of this yeah, all of this, To you does not... exist« Er kann sie hochleben, und genauso schnell fallen lassen. Empires rise and empires fall.

»Four, three, two, one, He holds the gun against my head, I close my eyes and bang I am dead, I know he knows that he's killing me for mercy, And here I go, He didn't mean to do no harm, And he holds me tight, He did it all to spare me from, The awful things in life that comes, And he cries and cries« 

Eine überzogene, weinerliche, widerliche und zutiefst anziehende Ausstrahlung, die einen überwältigt, einen nicht in Ruhe lässt. Es gibt kein Entkommen. Selbstdarstellungsmanöver, Kämpfe um Lob und Ansehen, immer abhängig – so laut, so leer, god bless America. Nach außen herrscht ein unechtes Pathos. Prince of Darkness, der unter unerträglichem Unrecht leidet. Im nächsten Moment der gekreuzigte fucking Jesus, kein Zweifel, dass er sich selbst so sieht. Ich hasse, das sagt er, immer und immer wieder aus dem Nichts. Warum, lässt sich nur erahnen. Ein Märtyrer, das Opfer, oder der sich selbst aufopfernde Held, der einhändig gegen unmögliche Widrigkeiten ankämpft. Wenn er eine Maus tötet, weiß er, wie man sie wie einen Drachen aussehen lässt. Er macht das alles nur für sie. Er kämpft gegen das Schicksal, er kann nicht gewinnen und hat es doch irgendwie verdient. Ein unbeholfenes Manchild, kindlicher Jähzorn, der es liebt, anzugeben, zu zerstören, macht einen Aufstand, wenn er nicht bekommt, was er will. Arrogant, selbstbezogen, fordernd. Unfähig, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen, peitscht er sich und andere mit ihnen. Paranoid. Sie wird das Gefühl nicht los, sie hätte ihn bestohlen, wenn sie nein sagt, ihn nicht tröstet. Ihre Freiheit beraubt ihn. Er appelliert an ihren Sinn für Empathie. Ich wäre dir ein guter Mann. Er fordert Menschen gerne moralisch heraus, wie er es nennt. Er erscheint verwundet und sanft, verletzlich, demütig. Er hat sich dem Pfad der Erleuchtung verschrieben, praktiziert aber nicht, was er predigt. Manchmal war sie sich sicher, dass sie es besser weiß, doch dann hat sie wieder zugehört, wieder in seine Rehaugen gesehen, dass ihr Hören und Sehen vergangen sind. Das Wechselspiel von Hilflosigkeit und Arroganz, Martyrium und Heldentum wird ihre Ängste schüren, ihr weis machen, es sei alles ihre Schuld, denn die Katze agiert nur passiv, ist für nichts verantwortlich und hat doch alles getragen. Die Katze handelt durch sie. Hauptsache, es sieht gut aus, Lichtsetzen. Wo viel Licht ist, ist auch Schatten – dunkel und hart.

Sie sieht einen Vagabunden im Straßenlaternenlicht. Es regnet. Du hier? Das Herz will Blüten treiben. Atmosphärische Konflikte. Es ist so warm, wird es so bleiben? Distanziertes, geheimes Licht. Wo niemand uns mehr sieht. Nicht mal wir uns selbst, geschweige denn einander. Wir prüfen. Raus oder rein?

Sie versucht, die fernen Lichter zu deuten, sein Dach, seinen Flur, seine Wände zu finden. That's me in the corner, That's me in the spot-light, ein Wort zu viel gesagt, ein Schritt zu weit nach vorn gewagt. Bringt sie sich oder ihn in Sicherheit? Sie versucht, ihr Licht, ihr Feuer zu dämpfen. Wir haben Wächter. Das Geheimnis wird nicht gebrochen, aber sie wissen es, sie haben sie gesehen. The light up floor. Oh no, I've said too much, I haven't said enough. Sie konnte, sie wollte ja nicht warten. Sie hat alles niedergebrannt. Sie wird von den Wächtern abgeführt.

Unser Mut wäre ihr Zerfall. Nur noch so wenig Zeit. Finde mich, meine Spuren sind überall.

Sie wäre gerne wieder zur Vordertür gegangen, hätte gerne so getan, als hätte sie gewartet. »Oh, I wish I could get my things and just let go, I'm waiting for it, that green light, I want it.« »Und wenn Bulle fröged, Segi ich heg nüt gseh, Blauliechtviertel, Do sind all stumm und taub, Jede Tag es biz dümmer, Bis me sich selber alles glaubt« Bleib dir nicht treu. Sei ja nie du selbst. Ich will wissen, wer du bist, wenn nichts mehr unmöglich ist. Das weiß er genau. Und deshalb wird er nicht kommen. Er wird sich ohne eine Berührung verabschieden. Wusste er es? »I didn't want you to know, Man, I guess I was scared, Feet, don't fail me now, I got to stand my ground, And though I'm down for trying, I am better in denial, So I hush, don't make a sound« Sie mieden das Licht, und aus Wärme wurde wieder Kühle. Ist das so? Man weiß nie. Und doch alles. »Sometimes I wake up in a different bedroom, I whisper things, the city sings 'em back to you, But honey I'll be seein' you 'ever I go, But honey I'll be seein' you down every road« Besser so. Sie hätte ihn sonst nicht gehen lassen.

In seinen toten Winkeln, seinem Schamgefühl, hinter seiner Wand voller Schüchternheit, war sie so gern zu Besuch. Zwei Augen, gegenüber, die guckten und nichts sagten. Langsam, immer näher, zu nahe. Fast. Sie machten nichts, weil sie nichts wussten. Zwei Menschen gegenüber, mit Wünschen und Sinnen. Sie hofften, weil sie sich nicht trauten. Dort baut sie sich ihr Exil, mit seinem Lächeln in der Tasche. Und auch wenn es keine Orte für sie gibt, weil es sie nicht geben darf, näht sie sich im Dunkeln eine Decke aus der Zeit, die sie hatten. Immerhin, nicht nichts. Morgen, vielleicht. Widerspruch. Unendlicher Aufschub des Seins. Wir sind immer schon etwas, wir können uns nicht entziehen. Wir sind nicht nichts, bevor wir es aussprechen. Alles war schon da, zweifellos, aber allein mit dem Sprechen gibt es Dinge, die sind – wahr oder falsch, sein oder nichts. Das Sein gibt es, wenn man es ausspricht.

»Ich lieg' seit Tagen in meinem Bett und hab' nichts zu tun, Und nach dem Aufstehen fang' ich an, mich auszuruhen, Und ich überlege oft, ob ich dir schreibe, Und ärger' mich, weil ich immer liegen bleibe, Jetzt fehlt mir so viel, Was mir wegen dir gefiel, Ich schrei' zuhaus' gegen die Wand, Und draußen stumm in mich hinein, Und manchmal denk' ich, Und manchmal denk' ich, Ich müsste wieder mit dir zusammen sein, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Und dann hör' ich mir die Kommentare meiner Freunde an, Weil ja jeder was dazu sagen kann, Aber eigentlich will ich das alles gar nich' hören, Weil mich diese Ratschläge stören, Und jetzt fehlt mir so viel was mir wegen dir gefiel, Ich schrei' zuhaus gegen die Wand, Und draußen stumm in mich hinein, Und manchmal denk' ich, Und manchmal denk' ich, Wir müssten wieder zusammen sein, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, Aber weniger, viel weniger für mich, Nicht nichts ohne dich, aber weniger, Dann lieg' ich wieder in meinem Bett und hab' nichts zu tun, Und du schreibst mir, dass du nichts mehr von mir hören willst, Und dann denk' ich, ich hab' dir nie alles gesagt, Aber immerhin nicht nichts«

Und sie fühlt sich zu wohl, sie fühlt sich zu wohl in ihrer Haut. Und die Katze hat Angst, dass sie wächst. Das Sein gibt es, wenn man es ausspricht. An der Uni. Eine normale Diskussion unter Kommilitonen. Sie ist anderer Meinung als er, unter den Augen der Anderen. Auf dem Heimweg macht er ihr weiß, so, wie sie ist, ist sie nicht gut. Sie will ihn nur fertigmachen. Sie ist zu viel. Sie ist nicht sie selbst. Einbruch der Realität, sie versucht, zu kämpfen, immer wieder. Aber wofür? Er redet nicht mehr mit ihr. So kann er nicht mehr mit ihr zusammen sein, sagt er. Redet ihr ein, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Er nimmt ihr ihre Schilddrüsenhormone weg. Und sie wird für ihn still sein, wird hier Platz für ihn machen. Er verzeiht ihr, sie hat es übertrieben, sie wird sich in diese Ecke zurückziehen, es ist wirklich das Beste. Klein und handhabbar gemacht. Dann kippt sie einfach um und wird ins Krankenhaus gebracht. Ohne die Zusage, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird sie nicht entlassen. Später soll sie zu ihm gehen in die Stadt, doch sie schafft es nicht – sie hat Angst und rennt nach Hause. Als nächstes kann sie nicht mehr aufstehen und hat Angst, zu duschen. Der Hausarzt fragt sie, was sie glaubt, woran das liegt. Neben ihr sitzt die Katze, die schon anderen Ärzten aufgefallen war – und es war ihre Schuld, obwohl sie nichts dazu gesagt hat. Sie sollte jetzt nichts Falsches sagen, ihn am besten nicht erwähnen. Der Arzt notiert Burnout. Sie setzt ihre Schilddrüsentabletten ab und betäubt sich mit Psychopharmaka, bis sie nichts mehr fühlen kann. Fremd in der eigenen Existenz. Jeder kann es sehen.

»Chum, I ma scho lang nüm warte, Um mi ume verändre sich d'Farbe, Aber I bi immer gliech, Chum oder bini ächt scho gstorbe, I mim letschte Troum verlore, Wo sich eifach immer gliecht, Lueg, mir isch schwindlig, Aber schwindlig bini nid, Lueg, I han es Riesse, Riesse chani nüt, Chum und bring mi bald ids Wanke, I bi sicher I chönt o chli tanze, Wenn Du mi bruchsch derfür, Chum oder ghöri mi ächt nur sälber, Säg, bi I Dir je necher cho als Du mir, Lueg, mir isch schwindlig, Aber schwindlig bini nid, Lueg, I han es Riesse, Aber riesse chani nüt«

Sie isch broche. Sie wirft ihre Sachen weg und ignoriert das ständige Stechen in ihrer Brust. Unwohlsein, Ekel, Unbehagen. Sie verliert ihr Bewusstsein. Geschrumpft, verzerrt, in der Form verändert. Eine Maus. Sie passt in eine Kiste, um dort zu bleiben, wo sie nicht hingehört. Ein Handel mit der Seele. Das ganze Umräumen hilft nicht. Sie muss ihre Stimme wieder unterdrücken, muss sich wieder klein machen, damit sie in die Handflächen seiner Hände passt. Damit sie wiedergeliebt werden kann. Er verschränkt seine Finger und baut ihr ein kleines Gefängnis. Die Katze will alles haben, alles sein. Er wird alles haben, alles sein und hat und ist doch nichts. Ein Sänger, der nicht singt. Ein Trinker, der ertrinkt. Eine Stimme, die nicht stimmt. Ein Sänger, der versinkt.

»Ach die Welt die ganze, möcht ich beschenken, und an einen Abschied, will ich nicht denken, auch nicht an den Tag, der zum Abend neigt«

Liebe war sie nie gewohnt, aber Kampf und Selbstaufopferung. Der Katze ist das Hören und Sehen schon lange vergangen, dafür hätten sie nicht nach Amerika reisen brauchen. Das Hören und Sehen vergehen einem, wenn man das Gefühl von sich selbst verloren hat. Die Katze hat es schon lange verloren. Die Katze braucht jemanden, der ihr zuhört, obwohl sie eigentlich nur mit sich selbst spricht. Phantasmen brauchen Zuhörer und dulden keinen Widerspruch, keine Subjektivität. Narzissmus ist eine harmonische Einheit von innen und außen. Keine Differenz mehr zwischen Sprache und Wirklichkeit. Phantasmen haben keine Unschärfe, sie kennen nur das Eine oder das Andere. Wie eine bedrohliche Waffe an der Schläfe, tot oder lebendig. Es gibt nichts harmloses mehr. Moralische Herausforderungen. Faszinierend und schrecklich zugleich. Er macht sich einen Spaß daraus, andere ins Chaos zu stürzen. Manipulation. Er hat die Beziehung zur Welt­­ verloren, jetzt sollen alle anderen das auch. Im Sprechen gibt es keine Wahrheit, es ist nie direkt mit der Wirklichkeit verknüpft. Deshalb spricht er so gerne. Ihm ist wirklich Hören und Sehen vergangen. Niederdrückende Hitze. Er will nur das Beste für sie. Er lügt. acta, non verba. Er lässt sie leiden. Alles zerfällt mehr und mehr zu staub.

Es hat viel geregnet, sie viel gewittert, und aus Staub wird Schlamm. »Tief im Meer von Blumen, will ich versinken, und in deinen Augen, zum Grund versinken, dieser große Wunsch, dass die Liebe bleibt«

Sie tut viel. Und auch sie lügt, auch wenn sie es gar nicht will. Harmonie als Exzess gegenüber der Welt. Sie lässt die Luft flimmern, verzerrt die Wirklichkeit. Einzig ihr Körper spricht zu ihr. Er allein weiß, dass etwas nicht stimmt. Er steht auf ihrer Brust, drückt sie immer tiefer in den Sand, ihre Spuren verwehen. Sie hat Angst. Sie hat Schmerzen. Die Überdosis wirkt nicht mehr. Sobald sie nach oben gelangt, sobald der Druck nachlässt, will sie um ihr Leben rennen und weiß nicht, warum. Sie versucht, Kraft zu sammeln. Die Wahrheit ist, dass sie mit der Katze von Tag zu Tag Kraft verliert, sie nicht mehr findet. Die Katze sieht Nachteile, wenn sie zu Kräften kommt, deswegen wird er das auch nicht zulassen. Es ist völlig egal, was sie tut, sie wird nur schwächer und kränker. Man kann den Stimmen entfliehen, die eigene kehrt nicht zurück. Sie muss schuldig sein, um vom Emotionengewitter, von den Winden gepeitscht zu werden. Ein Mädchen, Wüstenblume, nicht sein dürfend und doch tief rot. Einsam. Traurig. In diesem Moment glaubt sie, sie würde für einen bestimmten Zweck bestraft, für etwas, das über sie hinaus geht, wofür sonst die Krönung.

»Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten beisammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.«

Schuldig. Schuld bestraft sie für ihre eigene Natur. Für die, die sie ist. Die ganze Welt will sie beschenken und an einen Abschied, will sie nicht denken, auch nicht an den Tag, der zum Abend neigt. Sie hätte gehen sollen, solange sie noch die Kraft dazu hatte. Solange sie noch nicht krank war. Solange sie noch klarsehen und denken konnte. Solange sie noch nicht isoliert worden war.

Sie wird auf den Tag warten, auf den Moment, an dem die Katze am stärksten ist – damit er sich und damit sie nicht mehr schwach machen kann.

Die warme Sonne ist für sie schon lange untergegangen, sie reckt sich nicht mehr Richtung Fensterscheibe. Die Nächte in der Wüste sind kalt. Draußen ist dunkle Nacht und sie ist schon seit Stunden wach. Weit in der Ferne sieht sie etwas, aber sie muss sich täuschen.

Sie denkt an einen Freund und spürt ein bisschen Freude. An eine Begegnung mit einem anderen Menschen aus ferner Zeit, ein happy end, das ganz und gar unmöglich schien. Wieder Sehen und Sprechen lernen, ein befreiendes Selbstbekenntnis, schreibend bewegt sie sich auf ihn zu.

Sie möchte hunderte von Wildblumen pflanzen, doch alles ist trocken, alles vergeht in der gleißenden Sonne. Irgendetwas lässt sie verwelken. Ein Garten voller Sand.

Wenn sie das Meer sieht, dann weiß sie nicht, wie sie schwimmen soll. Sie ist voller Feuer, voller Mut, doch ihre Gefühle, sie versinken im Sand, werden nicht gehört. Wenn der Regen kommt. Er muss kommen. Und mit ihm das Gewitter.

»Alles was ich wünsche, ist unsre Liebe, dass die rote Tiefe, uns immer bliebe, dass kein schwarzer Nebel, uns je betrübe, dass kein dunkler Vogel, dies gold'ne Band zerreißt«

Manchmal bedarf es der Reflexion eines beschädigten, verzerrten, disharmonischen und vorsätzlich komplizierten Spiegels, der sich jeder Kommunikation verweigert, um eine verzerrte, im Grunde grauenvolle Wirklichkeit richtig zu sehen. Perspektivwechsel. Gewitter. Hilflose Gefühlsstürme. Chaos. Grelle Blitze, tiefe Schatten. Und Regen, weil er echt ist. Ihm, dem niedergedrückten, erstarrten, zerbrochen und nicht mehr zusammenbringbaren Spiegel, der noch immer Schmerz, noch immer Glas, das nicht zerbrochen ist, bereithält, sagt Navina: Du kannst deine Katze behalten. Es gibt nichts harmloses mehr in der Harmonie. Und wenn ihr dann nach Hause kommt, dann sucht nicht mehr nach mir. Die Katze sagt, du hast dich in deinen Entführer verliebt. Hat sie das nicht schon längst?

»Willst Du ein Vino? Vin? - no! Dis la vérité! Ora et labora. Veritas, verita-ta, na na est! Vino veritas! Na, na est! Sag mir: Quando, quando, Quintessenz! Natura, natura-ta, na na est Ego feci, Novo, novi, na, na, Vino? Navina!!!«

»Nur die hellen Vögel, mit weißen Schwingen, soll'n für uns ein bisschen, vom Ewig bringen, niemals soll'n die Nächte, den Tag verschlingen, und die warme Sonne, soll niemals untergeh'«

Keine warme Sonne. Grelle Scheinwerfer. Unser Leben ist eine leere Bühne. Er verliert immer mehr die Kontrolle, hat Wutausbrüche, beißt einer Fledermaus den Kopf ab und ertränkt sich dann in der Suppe. Die Wahrheit ist, er will nicht als gewöhnlicher Mann sterben. Der Druck wächst und ich kann ihm nicht mehr helfen. Die Wahrheit ist, ich will ihm nicht mehr helfen. Ich werde es dennoch tun, mein Gehör wird abstürzen, ich werde kurz davor sein, zu kollabieren. Wieder wird er mir nicht zuhören, und wenn es sein muss, wird er eine empathische Reaktion vortäuschen – Äußerlichkeiten, denn er kann nicht nachempfinden, was er anrichtet. Ich erkläre es ihm, er betet es nach. Im Nachbeten wird er immer besser, schließlich erkläre ich ihm alles, immer und immer wieder. Solange, bis es sich für ihn nicht mehr lohnt. Er wird nie Verantwortung übernehmen für das, was er tut. Sie geht jetzt zur Therapie. Er hat vorgearbeitet, ist mir immer einen Schritt voraus. Er redet mir ein, ich wäre ein Gaslighter. Wenn ich mich dagegen wehre, rudert er zurück, sagt, er wollte das doch nur diskutieren. Was ist nur mit dir, fragt er. Möchtest du nicht in die Klinik gehen, wird er mich fragen. Ich hätte es fast getan. Mit Einbruch der Realität werde ich aus dem Paradies vertrieben. Ja, ich war es, denn ich habe in den Apfel gebissen. Ja, es ist meine Stimme, die langsam lauter wird und gegen die keine Medizin hilft, um sie ruhig zu stellen. Ich will schuldig sein als ein fallendes Beil, als ein fliegender Stein, jetzt, da du alle Macht hast und ich sehe, wie du sie gebrauchst. Ich bin so nutzlos und so viel wie nie zuvor, und das ist gut so. Jetzt kann ich gehen. Er sagt, ich glaube, wir beenden das. Wie großmütig von ihm, mich gehen zu lassen, genau in dem Moment, in dem er fürchtet, ich würde die Beziehung beenden. Wieder ist er ihr einen Schritt voraus. Und es macht ihm nichts aus. Seltsam, nicht wahr? Er sagt, es tut mir leid, dass ich dich verrückt mache. Aber genau das ist der Plan. Entschuldigungen, die keine sind, damit ich ihm nicht auf die Spur komme. Wirklich entschuldigen wird er sich nie.

»Yes, the truth is I don't wanna die an ordinary man, Many times I've lost control, They tried to kill my rock 'n' roll, Just remember I'm still here for you, I don't wanna say goodbye, When I do, you'll be all right, After all, I did it all for you«

»You told your tales with pictures, I tried to make it seem good, I borrowed the heart of a preacher, And believed as hard as I could, You don't know how much I worked there, You don't know the risk I took, You hardly, hardly saw me, Behind the mirror round my neck, Caught in your Headlights, I had to close my eyes, Caught in your Headlights, I had so little time, Caught in your Headlights, I couldn't turn back, I was never myself, I was you, I forgot, You sold your smiles untroubled, Your light was on every face, You were too young to know that it mattered, That every time someone must pay, I bought your every word then, I didn't have my side, I was too old to learn my first lesson, So I dance with tied hands in mind, Caught in your Headlights, I had to close my eyes, Caught in your Headlights, I had so little time, Caught in your Headlights, I couldn't turn back, I was never myself, I was you, I forgot«

Ich habe mit dem Teufel getanzt, während ich ein Bild betrachtet habe. Es hat mich abgelenkt. Ein fröhliches, lustiges, tanzendes Kind, das haben wir alle gesehen. Schau ihn dir genau an – ist das dein Partner?

Wer wusste es noch?

Wie komme ich dazu, diesem Bild zu vertrauen? Wie komme ich dazu, irgendetwas von dem zu glauben, was er mir erzählt? Empathie und Misstrauen, gleichzeitig. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder. Eine Regression, die gefährliche Folgen hat. Alles hat seinen Preis – diesen Satz werde ich nie wieder vergessen, genauso wenig wie seine Herkunft, die noch wichtiger ist. Ihre Ideologien sind sehr wendig. Doch das ist keine Entschuldigung. Ihr habt ein gutes Geschäft mit mir gemacht. Mit seinen gierigen, langen Nägeln griff er nach meiner Kraft, nach all meinen Reserven. Ich habe mich verloren. Ich habe ihm geholfen und mich hilflos gemacht. Jetzt lenke ich dich ab, bevor du mir alles nehmen kannst, bevor mir nichts mehr bleibt. Plötzlich bin ich zu viel. Er sagt, er hat mich krass unterschätzt. Ausgeliefert und getrieben, nirgendwo in Sicherheit, Farben verblassen, die Lichter gehen aus und nun glaube ich ihm, glaube ich mir nicht mehr, wie schön es hier war. Ich höre noch die Stimmen im Radio, Introjektionen, die nicht meine sind, aber es ist nur eine leere Bühne, alles rot und grün und blau und später nicht mehr da. Jetzt freust du dich nicht mehr, mich zu sehen. Du glaubst, du kannst mich aus- und anschalten, wie du willst. Du magst die Kontrolle. Jetzt fühlst du dich von mir bedroht. Versuch ruhig, es zu unterdrücken. Ich kenne die Antwort.

»Wenn getanzt wird, will ich führen (Ich, ich), Auch wenn ihr euch alleine dreht, Lasst euch ein wenig kontrollieren, Ich zeige (Ich) euch, wie's richtig geht, Wir bilden einen lieben Reigen, Die Freiheit spielt auf allen Geigen, Musik kommt aus dem Weißen Haus, Und vor Paris steht Micky Maus«

Ich schätze, du bist überrascht, dass ich das Rätsel bin, das du nicht lösen kannst. Silver tongue devil. Alle Merkmale eines menschlichen Wesens, aber keine einzige klare, identifizierbare Emotion. Hattest du davon nicht so viel? War nicht alles so intensiv? Alles verbrannt, zu Asche, zu Staub, und er weiß nicht, warum. Er ist einfach nicht da. Er war es nie. Keine lebende Seele. Er hat durch mich gelebt. Life is hard and you must die. Stop. He’s already dead.

You're so fucking empty. »Und wenn ich dir sage, wie sehr ich dich liebe, Dann wär' das 'ne Lüge, aber reicht dir das? Reicht dir das? Mh, mh, Und wenn ich dir sage, wie gern' ich dich habe, Dann wär' das 'ne Lüge, aber reicht dir das? Reicht dir das?«

Er korrigiert sich. Er sagt, er hat mich verehrt, aber nicht geliebt. Um mir im gleichen Atemzug zu sagen, dass er mir ja nie gut genug war. Es ist meine Schuld. Er will die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten. Es ist weniger als eine Geschäftsbeziehung. In einer Geschäftsbeziehung hat man die Möglichkeit, nein zu sagen. In einer Geschäftsbeziehung, die auf einen Tauschhandel basiert, in der alle Teilnehmer gleich viel geben müssen, ist es nicht möglich, Menschen zu instrumentalisieren. Aber hängt er an eine Geschäftsbeziehung die Illusion der Liebe, so kann er alles einfordern. Wie sehr liebst du mich? Und hängt er an jeden Missbrauch das Etikett der Liebe, so ist alles verzeihbar und er einfach nur leidend. Würdest du zulassen, dass jemand leidet, den du liebst?

»Starrer Blick wie Kadaver, wo bist du? Aschewolken und Lava, wo bist du? Der ganze Laden voll Napalm, Monbijou, Doch du bist seelenruhig, seelenruhig, Starrer Blick wie Kadaver, wo bist du? Flammen in deinem Haar, aber wo bist du? Der ganze Laden voll Napalm, Monbijou, Doch du bist seelenruhig, Du bist ein'n Stern entfernt, Auch direkt neben mir, Bitte brich mein Herz, Damit hier endlich was passiert«

Unter Schmerzen sehe ich genauer hin. Man muss sich seiner Lage bewusst sein, um etwas zu verändern. Ein letztes Mal versucht er mir Angst einzujagen, er ist verzweifelt, weil es mich nicht mehr kümmert, was er zu sagen hat – ich habe aufgegeben, um mich nicht aufzugeben. Er will nicht aus meinem Zimmer gehen, ich schließe ab, er kratzt an meiner Tür und zischt meinen Namen wie in einem Horrorfilm. Noch in dieser Nacht werde ich die Wohnung verlassen. Später wird er sagen, der Alkohol sei schuld gewesen.

Das Reale zieht ein, das Leben tut weh. Alles, was jetzt noch kommt, ist das Grauen durch den Verlust des Verlässlichen.

Du denkst, du bist so wichtig für mich, nicht wahr? Ich will, dass du weißt: Du gehörst nicht hierher, in mein Leben. Du liebst es, mich niederzureißen, du nimmst mich auseinander. Dann baust du mich auf, als wäre ich auf dich angewiesen. Aber ich stürze mich aus Höhen, die mir früher Angst gemacht haben. Ich habe versucht, nett zu sein. Du willst mich verletzen. Ich höre nicht mehr zu. Empires rise and empires fall. Ich ertrage das nicht mehr. Ich werde jetzt gehen. Schlauer sein als Simone de Beauvoir. Du kannst mir ruhig alles nehmen, aber meine Seele wirst du nicht brechen.

»Oh, geschter häsch plötzlech nüt meh gseh, Und sithär gseht dich äu niemmert meh, Oh, geschter isch dr Schpiegel verbroche, Und sithär bricht dis Gsicht usenand, Ich – bi nur e Idee vo dir, So wie du sie willsch, Und du – bisch nur e Idee vo mir, So wie n ich sie bruuch, Wänns das gäbti, häi, wänns das gäbti, wäre mir immer gliich, Min Dokter seit: Chumm, leg dr Mantel ab, Und ich säg: Aber drunder han i nüt, Min Dokter seit: Chumm, leg dr Mantel ab, Und ich säg: Aber drunder bin i nüt, meh – bi nur e Idee vo dir, So wie du sie willsch, Und du – bisch nur e Idee vo mir, So wie n ich sie bruuch, Wänns das gäbti, häi, wänns das gäbti, dann ware mir immer – allei«

Eleven, ten, nine, eight, seven, six, five, four, three, two, one, »the gun is gone, and so am I, and here I go«.

»Alles was ich wünsche, ist so verloren, wie die arme Liebe, die wir uns schworen, wie die heißen Herzen, die längst erfroren, wie die rote Blume, die nie mehr blühen wird«

Ein neuer Morgen. Vielleicht. Die warme Sonne geht auf. Auf dem Pfad der Dämmerung. Das, was ich dir so lang verschwieg, tut mir unendlich leid. Sie will jetzt leben. Jetzt. Hier. Einfach. Er kann dich auch nicht halten, sagt die Katze. Du bist zu viel. Du wirst nie alles von mir wissen, auch du nicht, sagt der Vagabund, eitel und voller Irrtümer. Er will mir ein Rätsel sein, ich soll es nicht erfahren. Ist gut. Mach das Licht aus, wenn du gehst. Und dreh dich nicht um. Ich verrate dich nicht.

»Hinter den Jungs auf dem Schulhof steht ein Mann, Einer, der mich immer auf's Neue verwirren kann, Einer, der sich vor Schmerzen krümmt, Einer, der mich auf die Arme nimmt, Hinter den Jungs auf dem Schulhof steht ein Mann, Wenn sie nicht mit mir spielen, dann weiß er Rat, Er sagt dann zu mir, dass das nicht ist, weil keiner dich mag, Das ist nur, weil du ein Mädchen bist und jeder Junge ein Feigling ist, Wenn die nicht mit mir spielen, dann weiß er Rat, Er ist alles, was ich will und doch nicht darf, An mir schneidet er seine Messer scharf, Danach zieht er fröhlich in die Schlacht, Lässt mich zurück, in einer kalten Nacht«

Ist denn nicht jeder mal ein Vagabund? Ein leicht nervöses Hemd? Und jede Sehnsucht ein versprochenes Land?

»Oh, geschter häsch plötzlech nüt meh gseh, Und sithär gseht dich äu niemmert meh, Oh, geschter isch dr Schpiegel verbroche, Und sithär bricht dis Gsicht usenand, Ich – bi nur e Idee vo dir, So wie du sie willsch, Und du – bisch nur e Idee vo mir, So wie n ich sie bruuch, Wänns das gäbti, häi, wänns das gäbti, wäre mir immer – allei, Min Dokter seit: Chumm, leg dr Mantel ab, Und ich säg: Aber drunder han i nüt, Min Dokter seit: Chumm, leg dr Mantel ab, Und ich säg: Aber drunder bin i nüt, ich – bi nur e Idee vo dir, So wie du sie willsch, Und du – bisch nur e Idee vo mir, So wie n ich sie bruuch, Wänns das gäbti, häi, wänns das gäbti, dann ware mir immer gliich«

City Lights. Forever. Wenn man in der Stadt an eine Kreuzung kommt, ist es wie, als würde man im Wald in eine Lichtung treten. Und kurz vor Schluss, seh ich dich bei der Laterne stehen. Du sagst, jetzt bist du nicht mehr allein. Dann schaue ich nach oben. Ich brauche kein Licht.

»Suddenly embarrassed, the Tramp begins to shuffle away, but the girl steps to the door and again offers the flower, which he shyly accepts. She takes his hand, then abruptly stops and her smile turns to a look of puzzlement as she recognizes the touch of his hand. She runs her fingers along his arm, his shoulder, his lapels, then gasps, "You?" The Tramp nods and asks, "You can see now?" The girl replies, "Yes, I can see now", and presses his hand to her heart with a tearful smile. Relieved and elated, the Tramp smiles back.«

11 Jahre. Mäuse sind grau. Mäuse sind tot. 6 Jahre. Rosen sind rot.

26. Mai. Was tun sie? Wir sitzen auf der Bank, die auf einem Friedhof steht. Wir schauen nach oben, das Sonnenlicht grünt in den Bäumen. Das hier wächst nur für uns. Und ich werde niemals die richtigen Worte finden. Ich weiß nicht einmal, ob es wahr ist. Ich bin mir deiner nicht gewiss. Ich war es eigentlich nie. Und es ist schön. Nichts weiter. Es fühlt sich richtig an. So richtig. Es muss einfach so sein, wie es ist. Und es ist, was es ist, sagt die Liebe. Der Lärm, alles um uns herum verstummt. Ich schließe die Augen. Das hier ist jetzt nur für uns. Ohne einen Kuss sterben wir nicht. Heute, vielleicht.

*Mit Lyrics von Rammstein, Sophie Hunger, Faber, Aurora, Lorde, AnnenMayKantereit, Bettina Wegner, Delaney Bailey, Juli, Charlotte Brandi, Tobias Gruseck, Ozzy Osbourne, Provinz, Schmyt, Cäthe, Sigrid und Charlie Chaplin

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