du das formular, ich die waffe
Wir wurden dazu erzogen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Ich hab den Mund voll und versuche mir die Zähne zu putzen, weil es nicht verboten ist, mit leerem Herzen zu sprechen. Ich lerne, wie man angelt, aber es geht nicht um die Fische. Ich träume vom Meer, aber es geht um die Flüsse, meine Flasche taucht auf und dreht sich, aber es geht nicht um Küsse.
»Knabe saß ich, Fischerknabe, Auf dem schwarzen Fels im Meer, Und, bereitend falsche Gabe, Sang ich, lauschend ringsumher. Angel schwebte lockend nieder; Gleich ein Fischlein streift und schnappt, Schadenfrohe Schelmenlieder - Und das Fischlein war ertappt.«
Ich denke, ich hab nicht genügend Gift, doch zum Aufgeben war ich nie der Typ. Ich verstecke mich lieber vor meinen Gefühlen im Keller. Ich habe nicht verschlafen, nur verträumt, dachte, niemand will in diese kranke Birne rein, dabei war sie nur im Orbit. Du sagst, du magst mich, was fällt dir eigentlich ein?
Sag mir, weißt du, wie die leere Seele schmeckt?
»Der Winter naht… Auf schweren harten Sohlen – Horch! seinen Fußtritt! – rauh von Nord und Ost. Und millionen Stimmen heischen: „Kohlen!“ – Wir fürchten ihn, den mitleidslosen Frost.«
Es ist Ende Dezember, der Weg ist tief verschwommen und oft will ich nur noch weitergehen und niemals wieder kommen. Ich hasse es hier. Wer auf fremden Hochzeiten tanzt, kann sie nur sprengen, die Shots wegballern, die Leute boxen und sich ekeln, alles kaputt machen. Die Zombies, denen ihr Spiegelbild ziemlich gut gefällt, nehmen den ganzen Saal ein, sie feiern, sie beschenken sich mit farblosen, abgenutzten, sinnlich kraftlosen Dingen, ach, wie schööön und ach wie süüüß, ja ihr habt meinen Segen, auch wenn es hier regnet und das Wasser immer höher steigt. Es ist kalt, aber ich mag es, die Musik ist laut. Ich habe mir hier im stummen Winkel einen Raum gebaut. Er ist klein, funktional, eine Küche mit Bad. Ich bin die, die nach eurem Fest alles wieder aufräumen darf. Die eure Geschenke verwahrt, die euch bedient. Ihr bleibt weiß und rein, weil ich mir die Hände schmutzig mache. Die meisten gehen nach sowas duschen, auch Rihanna, sie hilft mir nicht und schenkt mir ihren Umbrella. Aber meine Dusche in der Küche, mein einziger Rückzugsort, den ich behalten habe, in ihr steht ein Mikro, verhüllt vom Duschvorhang. Im Saal steht die große Bühne, ich übe in der Dusche. Die Stimmen in meinem Kopf sind zu laut, das Gift löst meine Zunge, ich kotze mich aus. Niemand will das sehen, deswegen kotze ich lieber in der Dusche, nachdem ich zusammengesackt auf dem kalten, orangeblassen Fliesenboden liege.
Komm und sag mir, was du sagen willst, hast gesehen, dass ich nicht singen kann, es ist schwer, mit so viel Kotze im Mund, an der ich noch ersticke.
Vergiss die Toten, sie werden dir nicht folgen. Ich bin kein 31er, ich glaub die Geister sind mein Team. Ich hab Schmerzen im Bauch und die hab ich hast du verdient, mein ganzer schöner Hass versiegt. Vielleicht haben die Schmerzen einen Sinn, vielleicht sind wir beide morgen einfach nicht mehr hier. Vielleicht trage ich sie auf dem Kopf, der aus Trotz immer höher hängt, vielleicht verliebe ich mich, man weiß nie, doch dann kommen sie, die grauen Herren, Zombies, Seelenlose, Traumtöter, Vibekiller, Bullies, Hater, Bildleser, sie bestrafen mich. Auf dem Hinterhof des Clärchens verwandle ich mich wieder in ein Mäusekind, husche durch die Ritze im Asphalt und hoffe, dass da noch andere sind. Vielleicht vergiften sie sich eines Tages selbst, beenden sich selbst, bevor sie versuchen, uns zu vergiften. Ihr Mittel, um sich zu erhalten. Wir halten uns fern, weil wir Psychopathen sind. Sie haben immer gesagt, wir sind ein bisschen gestört.
»Die beiden Nachbarskinder Paul und Klärchen, Man immer fröhlich beieinander fand, Denn Paulchen wußte gar so hübsche Märchen, Von schönen Prinzen aus dem Zauberland, Drum hat sie stets so lange ihn gequält, Bis er ein schönes Märchen ihr erzählt.«
Das Gift, es heißt Wahrheit – Verstellung, eitle Flamme, Ego blendet. Hier flattern alle wie die Motten fortwährend um sie herum. Es ist eine Täuschung, und wenn sie sich verbrennen, ein beschädigtes Leben. Lieber brennen, als erstarren. Alle Lust will Ewigkeit, Weh spricht: Vergeh! Vergessen und vergeben ist dann das letzte, was sie wollen. Was heute schön ist, tut morgen weh, so ist es seit eh und je. Sie erfinden die Lüge, verzetteln sich im Krieg, zahlen alles zurück, alles macht endlich einen Sinn. Was wissen wir eigentlich über uns, abseits von den Gedärmen, die sich winden, dem Blutstrom, der wie wild fließt, den verwickelten Fasern, die Zittern. Unser Körper ist eingeschlossen in unser stolzes, gauklerisches, diebisches Bewusstsein. Was wäre die Wahrheit ohne die Lüge. Ihr Kopf sagt ihnen, was sie hören wollen, ihr Bauch sagt ihnen, was sie fühlen sollen. Auch nur dogmatische Behauptungen, genauso unerweislich wie ihr Gegenteil. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, du weißt. Ihre Helden, unsre Leichen. Unsre Helden, ihre Leichen. Weißt du, ich hab schon bezahlt. Das Inferno hält mich warm. Ich wart’ auf dich am Feuer.
»Ach! am Ufer, durch die Fluren, Ins Geklüfte tief zum Hain, Folgt ich einer Sohle Spuren, Und die Hirtin war allein. Blicke sinken, Worte stocken!- Wie ein Taschenmesser schnappt, Faßte sie mich in die Locken, Und das Bübchen war ertappt. Weiß doch Gott, mit welchem Hirten, Sie aufs neue sich ergeht! Muß ich in das Meer mit gürten, Wie es sauset, wie es weht. Wenn mich oft im Netze jammert, Das Gewimmel groß und klein, Immer möcht ich noch umklammert, Noch von ihren Armen sein!«
Liebe ist wohl das furchteinflößendste Gefühl, das es gibt auf der Welt. Aus der Perspektive des Teufels sehe ich überall gebrochene Herzen, die vielleicht versuchen, mich zu brechen. Engel, die mit meinen Dämonen spielen. Seitdem trage ich immer eine Waffe in meiner Handtasche. Sie ist nicht geladen. Sie spielen ein Spiel mit mir, ich nicht, ich bin eine Psychopathin. Sie wollten mich nicht mitspielen lassen, weil sie Feiglinge sind. Bringt’s mir bei! Ich war zu sehr mit Herz und Seele dabei, da sagten sie, ich muss erstmal ihre Sprache lernen, nüchtern werden. Ohrenbetäubende Stille, ich will da nicht hin. Eher so die Künstlerin, ich glaub, die will gar nicht dazugehören. Lebt immer an der Schwelle, um nicht ausgestoßen zu werden. Die Geister sind mein Team. Ich tue es nicht, auf den Weg in den Ruin, fülle keine Formulare aus, um zu sprechen, in einer Welt von Gesetzen, Privilegien, Unterordnungen und Grenzbestimmungen, ich muss nichts beweisen, muss nichts gestehen. Es eskaliert, ich schütte ihm Wasser ins Gesicht. Jetzt wird er wild, hält die Schrotflinte, zielt auf mich, er hat den Längsten. Ich lenke sie ab, ein Schuss löst sich, sie ist nicht geladen. Ich ziehe meine Waffe, handlich und klein, fast zu klein, um wirklich zu sein. Ich halte sie ihm auf die Stirn, "Ja, sie ist nicht geladen, aber man weiß nie?!", das sag ich ihm. Ich stehe an der Schwelle, Gzuz, er steht da und stimmt ein, „Du hast das Formular, aber die Waffe ist mein“. Wir klatschen ab, dann fall ich an seine Brust, ich wein. Es ist anstrengend, ich war nie eine von ihnen, bist du auch so allein? Ich will kein Gangster mehr sein. Man, ich will dieses Crime Life nich’ mehr, was mach ich eig’ntlich hier, schon längst real play.
Siehst du, wie mir die Worte fehlen? Komm sag, was du sagen willst. Du hast einen Gemütszustand, der durch meine Adern fließt. Du hast ihn mir gegeben. Wohin reis’ ich jetzt mit dem Gepäck?
»Obgleich vergangen nun so manches Jährchen, Verspürten niemals sie der Trennung Leid. Die beiden Nachbarskinder Paul und Klärchen, Sind schon ein Pärchen seit geraumer Zeit. Doch ach, so ist nun mal der Welten Lauf, Jetzt – bindet sie ihm manches Märchen auf.«
Von Süden und Norden. Ich stehe vor einem Bus und kann dir nicht sagen, warum. Du trägst die Jacke in rosé. Ich habe ein Ticket von jemandem, der es nicht brauchen kann. Ganz vorne im Bus, Panoramasicht, wir schauen nach vorne, starr ist dein Blick. Ich rieche an deinem Pulli, als wüsste ich, gleich ist's vorbei, ja du wirst aussteigen, und kannst mir nicht sagen, warum. Die nächste Station, du sagst, du hast noch was vergessen, bist gleich wieder da, ich warte, drücke immer wieder auf den Knopf, der Busfahrer, er schreit mich an. Du siehst mich von draußen an, du winkst ab, die Tür geht zu, der Bus fährt ab. Vielleicht wartest du auf den nächsten Bus, vielleicht gehst du zurück. Mir fällt auf, dass du keine Jacke hast, im Bus war sie auch schon nicht mehr. Ich laufe nach ganz hinten, ich setze mich zu Fremden. Ich frage, wo fahren wir hin? Sie sagen, lies das hier und suche nach einem Wort, dann such es auf der Karte und es zieht dich fort. An der Strecke im grünen Wald steht ein Baum, er wird mit der Axt von einer Mutter gehaun'. Ich tue so, als wär es mir egal. Wenn ich irgendjemanden davon überzeugen muss, etwas zu sein oder nicht, lüge ich. Ein Tropfen war’s und ist’s – statt einem Meer. Herzen, fremd und stumm.
»Frag’ und fleh’ nicht allzulang’, Stiehl lieber diskret, wie es Brauch – Ein Kuß, der lange Vorreden hat, Bringt oft lange Nachreden auch!«
Der mit der Schrotflinte spricht mit dem Zombie, er sagt, das ist eine gute Idee. Wenn sie doch weiß, wie es geht, wie man sich verkaufen muss, warum macht sie es dann nie? Er sagt, es wirkt so, als wüsste sie genau, was man sich einhandelt. Trotzdem kauft sie lieber das Richtige. Und sie bezahlt immer, sie raubt es nicht. Vielleicht werde ich beschenkt mit etwas, das keinen Preis hat.
I cannot do this, snowflake.
* Mit Gedichten von Goethe, den Wiener Caricaturen, Haiyti und Schmyt, Megaloh und MAJAN